#Deutschland atmet auf – Schuld an sexueller Gewalt gegen #Kinder haben letztlich die #Mütter? #childabuse

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat am 14.06.2017 ihren Zwischenbericht vorgestellt. Die deutsche Öffentlichkeit atmete danach deutlich lesbar auf. Die Berichterstattung in den Medien zusammengefasst: Schuld an sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sind eigentlich die Mütter!

Als wüssten wir alle nicht schon seit vielen Jahren, dass in unserer Gesellschaft sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen täglich geschieht. Dass die Dunkelziffer der Kinder und Jugendlichen, die Opfer sexueller Gewalt werden, wesentlich höher liegt als die, in der Polizeistatistik erfassten 14.000 Opfer. Dass Kinder und Jugendliche die Gewalttäter in den meisten Fällen kennen. Dass sexuelle Gewalt besonders in Beziehungssystemen geschieht, in denen Kinder und Jugendliche zu den Gewalttätern in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Dass die Gewalttäter zu über 90 Prozent männlich sind (Mikado-Studie). Dass in unserer Gesellschaft bei diesem Thema immer schon gerne weggeschaut wurde und wird. Das alles wollte bisher und will auch heute kaum jemand in Deutschland hören. Geschweige denn darüber sprechen, sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Die auf den Bericht der Kommission folgende öffentliche Berichterstattung spiegelt genau dieses wieder.So stürzte sich die Öffentlichkeit lieber auf die zweitschwächste Gruppe in diesen, von Gewalt geprägten Beziehungssystemen – die Mütter. Selbst oft Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend, Abhängige in einer fatalen, sich immer neu wiederholenden Gewaltspirale, vielfach ohne jede Unterstützung von der Gesellschaft. Selbst wenn sie Unterstützung suchen, ihre Kinder schützen wollen, werden sie von der Gesellschaft, Politik und auch von unserer Sozial-, Jugend- und Familienfürsorge oft alleine gelassen. In unserer deutschen patriarchalischen Familien- und Mutterideologie hängt das Wohl und Wehe der Kinder immer noch alleine an der Mutter. So wundert es nicht, dass diese Gesellschaft nach der Veröffentlichung des Berichtes schnell die eigentlichen Schuldigen für diese furchtbare Realität sexueller Gewalt in unserer gesellschaftlichen Mitte gefunden hat – die Mütter:

Gequälte Kinder, schweigende Mütter Frankfurter Rundschau 15.06.2017

Sexueller Kindesmissbrauch: Mütter glauben ihren Kindern nicht Die Zeit 14.06.2017

Missbrauchsbericht Mütter als Mitwisserinnen. Spiegel 14.06.2017

Viele Mütter dulden Kindesmissbrauch Süddeutsche Zeitung 14.06.2017

Missbrauchskommission beklagt Versagen von Müttern katholisch.de 14.06.2017

Tabuthema Kindesmissbrauch – Schock-Bericht: Vieles wird von Müttern totgeschwiegen Abendzeitung 14.06.2017

Bericht zu Kindesmissbrauch Insbesondere Mütter haben Übergriffe häufig geduldet Kölner Stadt-Anzeiger 14.06.2017

Erschütternder Bericht – Viele Mütter dulden Kindesmissbrauch in Familien Dresdner Neueste Nachrichten 14.06.2017

Viele Mütter duldeten Kindesmissbrauch – Töchter als „Hure oder Schlampe“ beschimpft Epoch Times 14.06.2017

Schock-Bericht: Mütter dulden oft Kindesmissbrauch news38.de 14.06.2017

Missbrauch: Warum Mütter ihre Kinder oft im Stich lassen Westdeutsche Zeitung 14.06.2017

Bericht: Viele Mütter duldeten Kindesmissbrauch in Familien Stuttgarter Nachrichten 14.06.2017

Und das ist nur ein Bruchteil der Schlagzeilen, die die Täter schonen und die Mütter schuldig sprechen. Sprache malt immer Bilder!

Über die Täter spricht man(n) eben nicht gerne. In vielen Artikeln kommen sie erst gar nicht mehr vor. Sie werden nicht identifiziert, sie werden nicht benannt, ihnen wird keine Verantwortung für ihre furchtbaren Taten explizit zugesprochen. Dann muss man(n) sich auch keine Gedanken mehr machen, dass in unserer patriarchalischen Gesellschaft eine männlich dominierte Politik das Thema seit vielen Jahren wider besseres Wissen vernachlässigt. Eine männlich dominierte Justiz sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, gegen Frauen und Mädchen, fast noch als Kavaliersdelikt abhandelt. Auch die Verantwortlichen in Schulen, Kitas, Sportvereine und Glaubensgemeinschaften, denen Eltern ihre Kinder anvertrauen, schauen gerne weg, wenn Lehrer, Erzieher oder Trainer sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausüben. Sie beschwichtigen Mütter, die ihre Kinder schützen wollen. Die Taten werden verharmlost, die Opfer sogar oft mitverantwortlich gemacht. Besonders gut darin sind auch die Medien. Die oft in bewährter sexistischer Tradition ein Bild von Mädchen und Frauen zeichnen, deren alleiniger Lebenszweck die sexuelle Verfügbarkeit für Männer ist. Die Frauen und Mädchen als abhängige, untergeordnete Sexobjekte zeigen. Opfer sexueller Gewalt werden öffentlich immer wieder auch mitverantwortlich gemacht für das, was ihnen von Männern zugefügt wird.

Die vorwiegend männlichen Täter sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendlichen werden in der deutschen Gesellschaft bis heute geschützt, geschont, ihre Gewalttaten verharmlost. Weil die deutsche patriarchalische Gesellschaft, die Medien und die Politik sich selbst schützen und schonen wollen. Auf keinen Fall will sich jemand ernsthaft mit der eigenen Verantwortung für das Geschehenlassen der Gewalttaten an Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen.

Und dann sind da noch die Religionen? In bester patriarchalischer, alttestamentlicher Tradition zeichnen sie Frauen und Mädchen ja seit Bestehen entweder als Heilige oder Hure. Die Frau ist es, die den Mann verführt von Anbeginn der Welt an. Die alttestamentarischen begründeten die bis heute herrschende Ideologie vom “armen, triebgesteuerten, willenlosen“ Mann und der “bösen, ihn verführenden“ Frau. Dieser Entschuldungsmechanismus für Männer ist in der alttestamentlicher Tradition des Judentums, Christentums und Islam festgeschrieben. So kommen auch im Artikel von katholisch.de die Täter praktisch nicht mehr vor. Warum auch? Man(n) widmet sich lieber wieder des Lieblingsthemas: Die naturgemäße Bestimmung der Frau als Mutter, dem heiligen Vorbild Maria Mutter Jesu folgend und deren “moderne“ Verfehlungen. So lässt sich trefflich von eigenem Versagen bezüglich der sexuellen Gewalt von Priestern gegenüber Kindern und Jugendlichen ablenken. Die Mütter, die Frauen sind schuld! Gott sei es gedankt. (fraupolitik: Schwimmen das hat mit Religion nichts zu tun – oder doch?)

Es ist doch sehr beruhigend, wenn wir nicht mehr über die Gewalttäter selbst sprechen müssen. Denn dann müssten wir uns in der deutschen Gesellschaft der Tatsache stellen, dass die Täter hauptsächlich Männer (eine geringe Zahl Frauen) sind:

Es sind Väter, Stiefväter, Brüder, Großväter, Onkel, Cousins, Lehrer, Priester, Trainer, Erzieher, männliche Babysitter. Zu denen Kinder und Jugendliche in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Denen sie vielleicht sogar vertrauten. Die ihre Machtstellung und das Vertrauen ausnutzen, um sexuelle Gewalt auszuüben.

Ist dieses Wissen für uns alle zu verschreckend? Diese Täter, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausüben, sind uns ja ganz nah. Das geschieht nicht irgendwo abseits am Rande unserer Gesellschaft. Es geschieht täglich mitten drin. Die Täter können in unseren eigenen Familien leben. Es kann mein Arbeitskollege, der Betreuer unserer Kinder sein. Sie sind an den Schulen, in den Vereinen, in unseren Glaubensgemeinschaften. Wir begegnen ihnen täglich überall. Sie sitzen mit uns bei Familienfesten am Tisch. Bei Elternsprechtagen sitzen wir ihnen vielleicht gegenüber. In der Kita feiern wir mit ihnen fröhlich Feste. Im Gottesdienst predigen sie uns von verantwortlicher Sexualität, von Gewissen, Schuld und Buße. Wir unterhalten uns mit ihnen über die sportlichen, musikalischen, zeichnerischen Fortschritte unserer Kinder. Können wir dieses Wissen, dass die Täter uns ganz nah sind, nicht aushalten? Schonen wir sie deshalb?

Wenn wir ernsthaft über sexuelle Gewalt über Kinder und Jugendliche sprechen, darüber berichten, uns damit auseinandersetzen wollen, müssen wir zuerst die Gewalttäter identifizieren und benennen. Ihnen die Verantwortung für ihre Taten zurückgeben, sie vor Gericht bringen, verurteilen und für ihre Gewalttat bestrafen. Dies ist der erste Schritt zur Veränderung.

Dann müssen notwendende Fragen gestellt und beantwortet werden: Was verursacht, was bedingt, was unterstützt diese vorwiegend von Männern ausgeübte, sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen, den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft?

Welche Vorstellungen und welches Verständnis von Sexualität, männlicher Macht, patriarchalischer Unterordnung von Frauen und Kindern gelten und wirken immer noch in unserer Gesellschaft? Welche Rolle spielt die antiquierte, religiös tradierte Mütterideologie, die Müttern allein die Verantwortung für die Kinder zuschreibt? Welche Familien-, Mütter-, Frauenbilder und – ideologien wirken in der deutschen Politik und in den deutschen Medien?

Welches anachronistische Bild vom Mann haben wir in unserer Gesellschaft? Ein wildes Tier, das seine Triebe nicht regulieren kann, deshalb entschuldbar unter dem Motto: Er kann ja nicht anders, er kann nichts dafür, dass es mit ihm durchgeht?

Welche Definition haben wir von Schuld und Verantwortung für das Tun eines Menschen? Greift bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in unserer Justiz auch der männliche Entschuldungsmechanismus? Weil die deutsche Justiz männlich dominiert ist? Wer fällt die milden Urteile über die Täter sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen, obwohl die Opfer lebenslang unter den Folgen leiden?

Wie stehen wir zu dem in Medien und öffentlichem Raum zelebrierten Sexismus in Deutschland? Der Frauen vorrangig als verfügbare Opfer männlicher Sexualität in Wort und Bild darstellt. Wie stehen wir im Zusammenhang mit sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendlichen zu Sexismus in der Werbung? Der, wie bei der Wiesenhof Werbung mit Atze Schröder, sexuelle Gewalt und die Folgen für die Opfer zum schmierigen Altherrenwitz degradiert? Für ein Verbot von Sexismus in Medien, Werbung, öffentlich bewirtschaftetem Raum muss nicht einmal das Grundgesetz geändert werden!

Dürfen wir in der deutschen Gesellschaft, darf die deutsche Politik diesmal wieder einfach zur Tagesordnung übergehen? Sie tun es! Schon zwei Tage später war das Thema “Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ keins mehr. Es gab keine politische Debatte, keine Sondersendungen, keine ARD Themenwoche, es wurden keine Dokumentationen in Auftrag gegeben. Weder Maischberger, Anne Will, Frank Plasberg noch Markus Lanz wollen darüber sprechen.

Der Terror gegen Kinder und Jugendliche, gegen die Schwächsten in unserer Gesellschaft, gegen unsere Zukunft, er ist kein wirklich “wichtiges“ Thema für die Öffentlichkeit, die Medien und schon gar nicht für die Politik. Kinder und Jugendliche haben in Deutschland keine schlagkräftige Lobby. Kinder- und Jugendrechte, der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt, Armut und sozialer Ausgrenzung, who cares?

Stattdessen atmet Deutschland erleichtert auf, nachdem die vermeintlich Schuldigen – die Mütter – von den Medien ausgemacht wurden. Und überlässt Kinder und Jugendliche wieder den Gewalttätern. Die Gewalttäter gehören ja vielleicht ganz in patriarchalischer Tradition mehr zur deutschen Familie als die Opfer?

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3 Antworten zu #Deutschland atmet auf – Schuld an sexueller Gewalt gegen #Kinder haben letztlich die #Mütter? #childabuse

  1. Nelli schreibt:

    Die Mutter ist IMMER an allem Schuld, Müttern werden auf Grund einer „zu“ engen Bindung zum Kind das Sorgerecht entzogen. Kinder werden zum Umgang gezwungen, gewaltsam! Das Familiengericht ignoriert jegliches kinderpsychologisches Wissen, und wehe die Mutter wagt es den Mund auf zu machen. „Kinder könne man doch nicht traumatisieren, irgendwann hören sie auf zu schreien, das macht nichts“ das musste ich mir heute vom Richter anhören, ich darf mein Kind nicht schützen und mir wird sogar gedroht mein Kind in eine Pflegefamilie zu stecken, damit das Umgangsrecht wahrgenommen werden kann! MISSBRAUCH AM KIND WIRD VON GERICHTEN IN KAUF GENOMMEN UND DAS RECHT DES VATERS ZU STÜTZEN!

  2. Es wird in falls es zum Strafverfahren kommt selbstverständlich von den Tatsachen abgelenkt Frauen haben keinen Schutz in Deutschland.

  3. meg schreibt:

    Danke für diesen Beitrag. Er trifft den Nagel auf den Kopf und frage mich, was das für eine Gesellschaft ist, die wegschaut, Täter schützt und mal wieder die Schuldigen an der falschen Stelle sucht!

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