Mein lieber Mann, war das eine Medienschlacht und -diskussion, anlässlich der Wahl Ursula von der Leyens zur ersten Verteidigungsministerin in Deutschland! Wer hat nicht alles etwas dazu gesagt, geschrieben, gewittert und auf facebook diskutiert, gemeckert, gelobt, sich gefreut, und wütend aufgeschrien!
Die ganze Diskussion hat vor allem eines gezeigt: Deutschland steckt fest in patriarchalischen Denksystemen!
Nicht ganz! Der einzig richtige und wahre Satz dazu kam nämlich heute von Thomas de Maizière bei seinem Interview bei Phoenix. Angesprochen auf die Kompetenz seiner Nachfolgerin Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin verwies er erst auf andere NATO-Staaten, in denen eine Verteidigungsministerin längst Selbstverständlichkeit ist. Dann sagte er: „…, dass es darüber so viel Aufregung gibt, zeigt, dass wir so ganz weit mit der Gleichberechtigung noch nicht sind …!“
Das bringt es auf den Punkt! Angesichts der Diskussion in ganz Deutschland, besonders in den deutschen Medien, bleibt nämlich die wichtige politische Frage unbeantwortet: Wie sehr stecken die deutsche Öffentlichkeit, die Medien und auch viele Politiker immer noch in den patriarchalischen Denksystemen der letzten Jahrhunderte fest?
Was sonst treibt z.B. einen Moderator des Heute-Journals gestern Abend dazu, mehrfach auf eine persönliche Erklärung von Frau Dr. von der Leyen zu insistieren, was sie denn nun zur Verteidigungsministerin befähige? Die Frage ist eigentlich unverschämt, wenn man bedenkt, dass Frau Dr. von der Leyen seit mehr als zehn Jahre sehr erfolgreich Landes- und Bundesministerien führt. Selten hat sich eine Bundesministerin vor ihrer Ernennung einer solchen öffentlichen, teils sexistischen Diskussion, um ihre Qualifikationen für ein Amt aussetzen müssen. (Die Zeit: „Im Sopran lässt sie die Männer strammstehen.“von Lisa Caspari)
Gleichberechtigtes Denken prüft die Befähigung jedes Ministers und jeder Ministerin anhand von klar definierten, aufgaben-, amts- und mandatsbezogenen Kriterien unabhängig vom Geschlecht. Sicherlich gäbe es dann mehr Nachfragen bei dem einen oder anderen Mann! Hat jemand Herrn Gröhe, Herrn Dobrindt, Herrn Müller, Herrn Maas oder andere männliche Amtsinhaber wirklich ernsthaft nach ihrer Befähigung für das neue Amt gefragt? Oder nach der Zahl ihrer Kinder oder wer denn jetzt zu Hause den Haushalt führt? In patriarchalischen Denksystemen sind Männer eben von Natur aus für jede Führungsaufgabe, für jedes politische Amt und auch für jedes Ministerium qualifiziert, einfach weil sie Männer sind!?
Dennoch hat die Diskussion etwas bewirkt! Dahinter kann Deutschland, können selbst die Menschen und Medien, die ganz im patriarchalischen Denken aufgehen, nicht mehr zurück. Spätestens nach der Bundestagswahl 2017 wird niemand in Deutschland, der noch ernstgenommen werden will, bei einer Finanzministerin, Wirtschaftsministerin, Außenministerin oder auch Verkehrsministerin erneut eine derartige Diskussion eröffnen! Das wäre im 21. Jahrhundert dann doch einfach zu peinlich! Im Ausland hat sich Deutschland mit der Debatte um die neue Verteidigungsministerin ja gerade erst wieder blamiert!
Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen zeigen klar und deutlich, wohin der Weg gehen muss! Statt über die Befähigung einer Frau für ein spezielles Ministeramt eine riesige Mediendebatte auf allen Kanälen und in allen Foren zu führen, ist eine breite Diskussion über den Stand der Gleichberechtigung in Deutschland auf allen Ebenen dringend notwendend! Geführt von Männern!
Denn nur wenn Männer, genau wie Thomas de Maizière, die mangelnde Gleichberechtigung und Teilhabe von Frauen öffentlich kritisieren und dagegen kämpfen, kommen wir endlich einen Schritt voran. Und nur wenn wesentlich mehr Frauen, genau wie Ursula von der Leyen, konsequent und unbeirrt ihren Weg weiter gehen und immer wieder die Gleichberechtigung auf allen Ebenen einfordern, statt sich den patriarchalischen Denksystemen unterzuordnen. Nur so wird es vielleicht schon 2017 keine Frage des Geschlechtes mehr sein, wer welches Bundesministerium in Deutschland führt.
Ihre Auffassung mit dem Aneignen von Kompetenzen der derzeitigen politischen Führungskräfte aufgrund Ihres beruflichen und politischen Lebensweges teile ich in keinster Weise. Nehmen wir doch mal als Beispiel Frau Manuela Schwesig, geb. 1974 und neue Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Abitur und anschließend Studium des Gehobenen Dienstes mit Abschluss Diplom-Finanzwirtin (FH) im Jahr 1995. Dann Steuerfahndungsprüferin und Steueramtsrätin für die Steuerverwaltung mit Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und der Organisation. Das hat für mich nichts mit beruflicher Qualifikation für ihr jetziges Ministerium zu tun, noch nicht einmal ansatzweise. Mit Mit 29 Jahren trat sie 2003 in die SPD ein und war dann in der Schweriner Stadtvertretung von 2004 bis 2007 stellvertretende Fraktionsvorsitzende und von Oktober 2007 bis Oktober 2008 Fraktionsvorsitzende. Dann ab Oktober 2008 wurde sie zur Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern. Meiner Meinung nach keine sehr große politische Lebenserfahrung. Und so können wir viele politische Führungskräfte durchgehen.
Politiker sind doch Multitalente und können einfach alles! Innerhalb kürzester Zeit sind sie in der Lage, die unterschiedlichsten Ressorts zu bedienen. Wozu der gebildete, studierte Bürger mehrere Jahre braucht, das eignen sich unsere Allround-Politiker in Crash-Kursen innerhalb weniger Wochen an. Dass es dabei um sehr komplexe Problem- und Aufgabenstellungen geht, die zum Wohle und Schutze des Landes und Volkes zukunftsorientiert gelöst werden müssen, scheinen viele nicht zu hinterfragen.
Danke für Ihren Kommentar. Das Anforderungsprofil für ein Ministeramt beinhaltet neben fachlichen Aspekten, vor allem Management- und Führungskompetenzen. Gerade angesichts der „komplexen Problem- und Aufgabenstellungen“! Viele der derzeitigen politischen Führungskräfte in Deutschland haben sich diese Kompetenzen durch ihren beruflichen und politischen Lebensweg angeeignet. Ich stimme Ihnen zu, dass es dem Ministeramt nicht gerecht wird, wenn sich Minister diese Kompetenzen in den ersten Wochen nach Amtsantritt erst aneignen müssen. Gerade deshalb benötigen die Parteien heute mehr denn je, eine Personalentwicklung nach aufgaben- und mandatsbezogenen Kriterien unabhängig vom Geschlecht. Da sehe ich die eigentliche Problematik. Sonst fehlt schon 2017 geeignetes Personal in der Politik für diese schwierigen und komplexen Aufgaben.