Jeder erwachsene Mensch, der sich freiwillig entscheidet, selbst bestimmt sexuelle Dienstleistungen anzubieten, soll dies tun im Rahmen des Gesetzes. Jede Diskussion darüber ist sinnlos, sie geht an dem wirklichen Problem vorbei. Meine persönliche Einstellung dazu ist hier Privatsache.
Aber in den Diskussionen um das „Prostitutionsgesetz“ geht es eben nicht um die freiwillig als Prostituierte arbeitenden Frauen und Männer, die dies ohne eine existentielle Notlage tun wollen.
Vielmehr geht es um die vielen Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, Opfer von sexueller Ausbeutung. Aufgabe des Staates ist es, diese Menschen durch gesetzliche, ordnungs- und polizeirechtliche Maßnahmen zu schützen und präventiv zu agieren. Dies ist dann keine Privatsache mehr.
Statt zwei Dinge miteinander zu vermischen, benötigen wir dringend eine Änderung des Blickwinkels. Es geht hier eben nicht um die eher theoretische Frage, ob Prostitution gut oder schlecht ist, sondern um die existenzielle Frage nach dem Schutz für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution.
Die Befürworter des status quo sollten sich folgende Fragen stellen:
- Können junge Menschen unter 21 Jahren die Entscheidung, als Prostituierte zu arbeiten, ganz selbst bestimmt und freiwillig unter Beachtung der tiefgehenden Konsequenzen für ihr weiteres Leben treffen?
- Begeben sich Menschen in der Prostitution real ganz selbst bestimmt und freiwillig in die Abhängigkeit von Zuhältern und Bordellbesitzern, die durch sie ein Milliardengeschäft (insgesamt ca. 15 Milliarden) machen?
- Benötigen die Prostituierten Zuhälter und Bordellbesitzer, um ihr Gewerbe selbst bestimmt und freiwillig ausüben zu können?
- Warum profitieren sie selbst sowenig bis gar nicht von diesem Milliardengeschäft? Wo sind die, durch ihre Arbeit selbst reich gewordenen Prostituierten?
- Warum melden sich so wenig Prostituierte sozialversicherungspflichtig an?
- Warum schließen sie sich nicht freiwillig und selbst bestimmt zu Prostitutionsgemeinschaften zusammen, statt sich in einem Bordell oder von einem Zuhälter anstellen zu lassen?
„Die Welt“ hat in dem Artikel „Drei Dinge, die Deutschlands Prostituierten helfen können“ (06.11.2013) bereits einige notwendende Forderungen aufgestellt, die Menschenhandel und Zwangsprostitution sicher nicht ganz beenden können aber hilfreich sind. M.E. sind Ergänzungen notwendig:
- Prostitution erst ab 21 Jahren
- Verbot von Bordellen
- Keine Weisungsbefugnisse an Prostituierte, keine abhängig Beschäftigte in der Prostitution
- Meldepflicht für Prostituierte
- Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution
- Wirksame Bestrafung der Freier von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution
Die wichtigste Frage aber, die im Hintergrund die Diskussion bestimmt, wird von den wenigsten offen angesprochen :
Wer sind eigentlich die Profiteure der Prostitution? Welches Frauenbild haben sie und wie definieren sie das Verhältnis von Mann und Frau (unabhängig davon, dass es selbstverständlich auch männliche Prostituierte gibt)?
- Nehmen wir nur die 343 französischen „Mistkerle“, die vom Staat verlangen „Hände weg von meiner Hure!“. Der Satz sagt alles aus! Hände weg von meinem Besitz!? Frauen als Besitz, zur Entspannung des Herrn? Diese Mistkerle sind die Herren, die entscheiden, wer Zugriff auf ihren Besitz haben darf? Die über ihre „Huren“ verfügen! Ein Herrschaftsverhältnis zu Ungunsten der „Huren“, das heute nicht mehr einfach durch Gewalt aufrecht erhalten wird, sondern durch viel subtilere Zwangsmittel. Die Herren können sich alles kaufen, auch Frauen! Das macht also heute Persönlichkeiten aus der schillernden Pariser Kulturwelt aus?
- In Deutschland dagegen werden Zuhälter und Bordellbesitzer zur Zeit in den Medien „salonfähig“ gemacht. Die milliardenschweren Profiteure der Prostitution schwingen sich auf, die Freiheit und Selbstbestimmung ihrer „Huren“ zu verteidigen. Was bisher nur im deutschen Trash-Fernsehen mit Sendungen wie „Pimp mein Bordell“ zu sehen war, machen jetzt auch die öffentlich rechtlichen Sender. Sie geben den Profiteuren von Menschenhandel und Zwangsprostitution unter dem Motto „Wir sind ja so liberal, modern und aufgeschlossen“ ein öffentliches Forum. Und natürlich soll dies auch die Quote heben. Dies ist ein Schlag in die Gesichter der vielen hunderttausend Opfer. Wer übernimmt die Garantie, dass diese „Herren“ nicht Täter sind? Gegebenenfalls erleben ihre Opfer gerade live am Fernsehen mit, dass ihre Peiniger sich in aller Öffentlichkeit unwidersprochen auch noch als „Helden“ und „Beschützer“darstellen dürfen. Mit solchen Sendungen wird ganz subtil der Herrschaftsanspruch des Mannes über die Frauen transportiert. Es wird nicht über das Frauenbild der Besitzer der Ware „Prostituierte“ diskutiert. Sie werden nicht entlarvt als das, was sie real sind, nämlich Ausbeuter. Stattdessen werden sie einem breiten Publikum als Gesprächspartner auf Augenhöhe präsentiert. Das öffentlich propagierte Frauenbild: Frauen sind Besitz, Ware, Opfer. Deren sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit geht in Arbeitsverhältnissen, in denen der Herr befiehlt, wie lange, wie viel, wie oft, mit wem, auf welche Art, … unter! Männer dagegen sind die Eigentümer, Verkäufer, Herrscher und meinen es ja nur gut mit den Frauen! Also, alles beim Alten. Und die Sendungsmacher und Zuschauer erschauern bei der Berührung mit dem Anrüchigen, Verbotenen, Schmutzigen, Tabuisierten, Kriminellen.
- Und was ist eigentlich mit den Freiern, ebenfalls Profiteure der Prostitution? Ihre Nachfrage bestimmt das Angebot, je billiger, je frischer, je jünger, desto besser! Sie können sich ausrechnen, dass z.B. Flatrates in Bordellen auf Kosten der psychischen und physischen Gesundheit von Prostituierten gehen. Sie können sich ausrechnen, dass Frauen in Bordellen oder mit einem Zuhälter, die ja so schön billig sind, selbst am wenigsten von dem Geld erhalten. Sie wissen, dass sehr junge Frauen und Männer ihnen nicht unbedingt freiwillig und selbst bestimmt zu Diensten sein wollen. Sie wissen, dass Prostituierte, die noch nicht einmal die deutsche Sprache sprechen, sich als Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution in Deutschland nicht wehren können. Sie wissen, dass Frauen aus Nicht-EU-Ländern, aufgrund ihres illegalen Aufenthaltes in Deutschland, meist Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution sind. Hat ihre Bedürfnisbefriedigung mehr Wert, als die Freiheit, Selbstbestimmung und Unversehrtheit eines anderen Menschen? Die Freier können selbst bestimmt und freiwillig entscheiden, ob sie einen angemessenen Preis für eine sexuelle Dienstleistung bezahlen wollen, bei einer selbstbestimmt und freiwillig arbeitenden Prostituierten. Oder ob sie Menschen in Zwangssituationen und unfreiwilligen Abhängigkeitsverhältnissen zu ihrer eigenen Bedürfnisbefriedigung ausnutzen wollen. Welche Entscheidung sie treffen, hängt von ihrem Frauenbild ab. Ist es bestimmt von dem Gedanken, dass Männer über Frauen herrschen, ist klar, welche Entscheidung sie treffen werden.
Ein wirksamer Schutz für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution hängt ganz fundamental von unserem Bild von Frauen und dem Verhältnis zwischen Männer und Frauen ab. Ist es ein gleichberechtigtes, partnerschaftliches Bild, dann können und dürfen wir Herrschaftsverhältnisse und Abhängigkeitsverhältnisse in der Prostitution nicht dulden. Es geht nicht um die Prostituierten selbst, sondern um die Profiteure der Prostitution, in erster Linie Männer, die zum Zwecke der eigenen Unterhaltung, Bereicherung, Befriedigung Menschen sexuell ausbeuten. Ihnen muss der Gesetzgeber die Möglichkeit nehmen, Profiteure der Prostitution zu bleiben!
Den Kommentar habe ich gelesen. Vor 40 Jahren sollten im horizontalen Gewerbe in Berlin flächendeckend „Betriebsprüfungen“ des Finanzamtes durchgeführt werden!!! Ist aber nicht dazu gekommen!!! Warum macht man es nicht so wie in Italien, wenn jemand den Laden verlässt, dann muss er einen „Bon“ vorweisen und die Finanzpolizei kontrolliert! Alle Umsätze sollten dann versteuert werden können????
Die Frage ist : Warum sind Männer bereit, für die Dienstleistung „am Mann“ in der Relation zu anderen Dienstleistungen in Frauenberufen – wo Stundenlöhne von 3,50 Euro bis 20,00 Euro üblich sind – für eine Minute so viel – wie für eine Stunde zu bezahlen?????? Ist es weil die zu Teil sehr jungen Frauen über besondere Kenntnisse bei der Ausübung ihrer Dienstleistung verfügen? Fühlen sich die Männer gut, weil sie junge Frauen mit „Geld“ – ohne Verpflichtung – erobern, oder für „Minuten“ besitzen können. Oder bezahlen die Männer für eine „Illusion“ oder ein „Luxusgut“, was man sich zu besonderen Anlässen als „Belohnung“ gönnt?
Es wird so viel darüber geredet, dass Frauen in vielen Berufen 20 % weniger verdienen als Männer an der gleichen Stelle! In diesem Gewerbe wird mit anderer „Elle“ gemessen. „Frauen???? oder der Markt???“ legen Preise fest und Männer zahlen gern. „Bordellbesitzer“ kassieren ab…………..???! Alle anderen Frauen arbeiten, wenn sie arbeiten für Löhne, die in der Relation zu dieser Bezahlung nicht „gerecht“ sind!!!! Sie sehen aber, dass es Frauen in diesem Gewerbe gibt, die unter „Zwang“ arbeiten und einen großen Teil des eingenommenen Geldes abgeben müssen!!!!!!! Vielleicht sollte „Frau“ oder die Politik hinterfragen, warum in diesem Gewerbe das „Geld“ nur so fließt und immense Summen, die ja inzwischen öffentlich sind, zur Schau gestellt werden können? Treibt die sogenannte „gesellschaftliche Ausgrenzung“ der Frauen, die in diese „Dienstleistung“ erbringen – man spricht von 400.000 Frauen -, den Preis für die „Arbeit am Mann“ in die Höhe???
@Frau Schäffer: Sicher muss die Frage gestellt werden, was in der Hauptsache Männer dazu bewegt, sexuelle Dienstleistungen zu kaufen. Dazu verweise ich auf den Kommentar von Bernd Ulrich in der „Zeit“. Die entscheidende Frage bleibt aber, wie den Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution wirksam geholfen werden kann und wer real die eigentlichen Profiteure der Prostitution sind und auf welchen Wegen sie dies sein können.